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Samstag, 7. August 2010

Wer denkt, wird selig!

Warum Religionsunterricht wichtig ist - auch für Atheisten

So bunt kann dieses "höchst unvollständig, widersprüchlich-subjektiv[e]" Buch sein
Der alltägliche Wahnsinn im Klassenrum
Papierkügelchen fliegen durch die Luft, es wird getuschelt, gemalt - manchmal im Auftrag des Lehrers, meistens ohne -, auf der Tafel steht, bisher unbemerkt vom Lehrer, Ich liebe Reli, ob ironisch oder nicht, kann man sich denken. Dann, wenn dieses Buch, dieses schwere und unnötige Buch aufgeschlagen werden  muss, wird lauter getuschelt, da man ja jetzt aktiv ist. Und während irgendwelche unverständlichen, dich nicht angehende Sätze von einer monotonen Stimme heruntergeleiert werden, wird so viel verewigt wie es nicht die Pharaonen schafften, in jenem Buch, das niemanden interessiert. Einige müsssen auch ihren Schönheitsschlaf nachholen, was aber sicher besser geht, wenn wieder einmal ein Film gesehen wird.

So oder so ähnlich scheint- aus eigener Erfahrung oder der anderer - der Religionsunterricht fast immer vonstatten zugehen. Warum tut man das dann sich und den armen Kindern eigentlich an? Schließlich leben wir doch in einer gottlosen Zeit. Das haben sich wohl auch die Kommentatoren eines -  m.E. genialen -  Beitrags zur Religionsfrage Karsten112 und VolkerKirsch gedacht (zwar ist es hierfür nicht nötig, diesen Artikel gelesen zu haben, auf den mein Link hinweist, aber es ist wahrlich ein Gewinn ihn zu lesen, wie ich finde [was widerum zeigt, wie - naja-  konstruktiv manche Kommentare sind, so interessant sie auch sein mögen]) :


 "Nicht Glauben - sondern Denken  Karsten112  06.08.2010 um 18:29
Die Schulen sollten dazu übergehen den Schülern das Glauben ab und das Denken anzugewöhnen.
Religionsunterricht hat in Schulen nichts zu suchen.

Argumente?   J. Lmn
Mit welcher Begründung?

Argument für Abschaffung von Relgiionsunterricht   VolkerKirsch
Religion basiert auf Glauben an etwas, was niemand beweisen kann (z.B. Gott) oder höchst unvollständig, widersprüchlich-subjektiv Überliefertes (bibl. Schriften). Letztlich geht jegliche Religion zurück auf ein ideologisches Welt- und Menschenbild.
Jede Art von religiöser Ideologie hat in der Erziehung und WISSENS-Vermittlung von Schulen so wenig zu suchen wie irgendeine politische Ideologie oder ein Parteiprogramm. Gegen letzteres würden sich ja auch zu recht alle Eltern verwahren wollen. Religion hat zwar auch etwas mit ethischen Grundsätzen zu tun, diese basieren aber auf gerade auch in dieser Hinsicht höchst fragwürdigen Texten (v.a. AT). Deshalb unbedingt Ethik-Unterricht für alle konfessionellen und nichtkonfessionellen SchülerInnen. Aber keinerlei Religionsunterricht, in welcher Konfession auch Immer! Aber das Dilemma fängt schon mit der Taufe an, die auch erst ab 18 erlaubt sein sollte."


 Konsequent angewandte Religionsfreiheit, könnte man dazu sagen: auch das Klassenzimmer sollte frei von Religion sein. Andererseits auch konsequenter Zeitgeist, wie bereits angedeutet: wer braucht noch diesen J****a (hab halt Angst vor Steinwerfer), diesen Gott Abrahams, Josefs und wie sie nicht alle heißen. Gott ist tot, zumindest bei uns, im Westen, wie es so schön heißt, auch wenn er anderswo sehr langsam stirbt - Schweinebacke. Außerdem hat VolkerKirsch doch recht: Schule soll Wissen vermitteln und nicht Unbeweisbares, AberGlaube gehört nicht in die Schule, lediglich vielleicht als kleines Stoßgebet vor der Mathe-Arbeit.
So stellen sich die Kommentatoren wohl den Religionsunterricht vor.  http://www.passe-partout.de/content_de/20020927/01_12.php

Unterricht, nicht Predigt
Aber:  Was ist Religionsunterricht eigentlich? VolkerKirsch vergleicht Religionslehre mit Verbreitung von politischer Ideologie in der Schule. Auf den ersten Blick ein recht einleuchtender Vergleich, da der Religionslehrer ja auch einen Glauben vorstellt, was ja nichts anderes als eine Ideologie ist. Doch konsequenterweise müsste man dann auch den Politik-Unterricht bzw. die Sozialwissenschaften (ich kenn nur diese beiden Bezeichnungen; wie es in anderen Bundesländern heißt, weiß ich nicht) abschaffen, wo ja auch Ideologien von Marx' Kritik am Kapitalismus bis Westerwelles Kritik an der spätrömischen Dekadenz gelehrt werden. Bei diesem Vergleich merkt man den Fehler in der Prämisse der Kritiker am Religionsunterricht: Religionsunterricht ist keine Form von Predigt! Ob es immer so ist, weiß ich nicht, aber das ist zumindest meine Erfahrung. So verstehe ich auch den dazugehörenden Artikel im Grundgesetz: "[...] Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt"(Hervorhebung vom Verfasser dieses Blogs, also von mir) Art.7,3. Zwar ist hier auch von den "Grundsätzen der Religionsgemeinschaft" die Rede, doch hat der Staat das Aufsichtsrecht, was heißt, dass der Unterricht, wie jeder andere Unterricht auch, vereinbar mit den demokratischen Grundwerten sein sollte. Die Schlussfolgerung lautet: nicht ein stupides Eintrichtern eines Glaubens, sondern kritische Außeinandersetzung mit Glaube, Religion und anderen Glaubensrichtungen - das ganz besonders!- sind Inhalt bzw. sollten Inhalt sein.

Gott lebt!
Warum ist das denn nötig? Einerseits weil Gott - ob leider oder nicht leider, bleibe dahingestellt - nicht tot zu kriegen ist. Gott lebt, Jesus vielleicht ja auch noch, solange es Kirchen gibt, in denen mehr oder weniger besuchte Gottesdienste stattfinden; solange nach Mekka oder sonstwohin gebetet wird; solange Menschen glauben und - ja, soetwas gibt es auch - es ihnen irgendwie hilft; solange aber leider auch sich Menschen für ihren Glauben (an Jungfrauen im Paradies) in die Luft sprengen; solange Priester Kinder vergewaltigen und die (nicht nur katholische) Kirche dies verschweigt und vertuscht. Vor allem in Zeiten des religiös motivierten Terrorismus muss ein Religionsunterricht differenziertes Denken lehren, damit die grunsätzliche Islamophobie nicht überhand gewinnt. Sachliche und gut fundierte Außeinandersetzung mit anderen Religionen ist vor allem in Zeiten der Globalisierung wichtig.

Studieren geht über Probieren
Und Atheisten bzw. Agnostiker - was sollten die denn unterrichtet bekommen?  Dass selbst der Teufel die Bibel zitieren kann, steht ja schon in der Bibel. Das Prinzip, man soll seinen Feind kennen, ist aber wohl in dieser Beziehung für die wenigsten einleuchtend und damit kein Argument, da die meisten Agnostiker bzw. Atheisten nicht wirklich aus Überzeugung, sondern eher aus Faulheit, Agnostiker bzw. Atheisten sind. Für viele vom diesen mag zwar folgendes Argument ebenso wenig überzeugend sein, doch ist es ein um einiges wichtigeres: ohne die Bibel versteht man die Geschichte Europas, vielleicht auch Amerikas, nicht. Das Buch der Bücher ist ein Kulturgut, das - egal, was wir davon halten - nicht mehr wegzudenken ist, aus der Geschichte, aus der Kunst und Literatur, aber auch aus der heutigen Gesellschaft. Genauso wie im Deutsch-Unterricht Goethe oder Schiller behandelt werden müssen, so gehört die Bibel einfach zum europäischen Menschsein dazu - Allgemeinbildung ohne eine gewisse grundsätzliche Kenntnis der Bibel ist keine Allgemeinbildung. Sie ist untrennbar mit unserer europäischer Identität verbunden, auch wenn sicher unsere Gesellschaft primär durch demokratische Werte prägt - was sich nicht unbedingt widerspricht.

Allgemein lässt sich also sagen, dass Religionsunterricht, wie er sein sollte, nicht mit Konfirmanden- oder Firmenunterricht zu verwechseln ist. Jeder Religionslehrer sollte dem Schüler die Freiheit geben, Religionen im allgemeinem oder im speziellen abzulehnen. Doch davor steht die Außeinandersetzung - denn was ist Ablehnung sonst anderes als ein Vorurteil und Faulheit, wenn wir das nicht mal kennen, was wir ablehnen? Also: die Bibel lesen, bevor man reinschmiert!

2 Kommentare:

  1. Wenn man Ihre Beiträge hier liest, Herr (oder Frau?) Ulysses, dann muss man den Eindruck bekommen, Sie machten es sich mit Agnostikern u. Atheisten ein wenig einfach. Ich z. B. bin ein überzeugter Atheist (mindestens Agnostiker) geworden, nachdem ich mich intensiv mit Relgionsgeschichte befasst habe, was mir insofern nicht schwer fiel, da ich mich als Gymn.Lehrer für Geschichte i.R. natürlich auch immer mit diesem Aspekt der Geschichte auseinandergesetzt habe. Deshalb kann ich hier fundiert behaupten, dass alles, weshalb Sie den Religionsunterricht für unverzichtbar halten, viel besser der Geschichts- und Deutschunterricht (mein zweites Fach war Deutsch) leisten kann. Religionslehrer müssen per se voreingenommen (gläubig) sein. Viele der von Ihnen angesprochenen Aspekte freilich kann man erst in der Oberstufe behandeln, z. B. Entstehungs- u. Wrikungsgeschichte, Quellenkritik etc.
    Es ist jedenfalls verwegen und schlicht falsch, wenn Sie behaupten:" ohne die Bibel versteht man die Geschichte Europas, vielleicht auch Amerikas, nicht." Natürlich wird bei diesen Themen behandelt, welche meist unrühmliche Rolle auch die Religion mit ihren biblischen Dogmen gespielt hat. Beispiel: Weil Indianer in der Bibel nicht vorkommen, meinte man, diese unmenschlich behandeln zu dürfen. Und das natürlich in "God's own Country". Kurzum, meine Schüler haben noch immer was von diesen Geschichtsthemen verstanden und keiner hat dabei nach Bibel-Inhalten gefragt.
    Zu alldem wäre noch weit mehr auszuführen. Aber lassen wir's mal dabei. Nur eins: Sie sollten es sich nicht zu einfach machen mit sogenannten Atheisten.
    Gruß Volker Kirsch

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  2. Danke für Ihren konstruktiven Kommentar - das zeigt mir, dass es nicht ganz um sonst ist, dass ich hier schreibe.
    Ich glaub, Sie machen einen deutlichen Fehler, wenn es um die Wirkungsgeschichte der Bibel geht: Sie gehen von dem üblichen Unterricht aus, der viele Themen nur oberflächlich behandelt. Auch sind die meisten Schüler wenig interessiert an den Einfluss der Bibel auf die Geschichte - das könnte auch erklären, warum niemand nach Bibel-Inhalten fragt. Ich will Ihre Kompetenzen als Lehrer nicht in Frage stellen, doch kommt man meiner Ansicht nach nicht umhin, die Bibel ein wenig zu kennen, wenn man die Geschichte Europas gut durchschauen will und sich differenziert damit auseinandersetzen will. Gerade dass die Bibel immer wieder zumindest fraglich ausgelegt wurde, macht doch gute Kenntnisse der Bibel notwendig. Gerade doch die Reformation ist ohne ein gewisses Verständnis des Römerbriefes nicht wirklich zu verstehen. Oder haben Sie dieses Thena immer ausgelassen? Dass ein Geschichtslehrer allein die Zeit der Reformation durchnimmt, ohne dass Religionslehrer zur selben Zeit dieses Thema in ihrem Unterricht behandeln, halte für problematisch. Schließlich wollen wir doch kein oberflächliches Verständnis von Geschichte verbreiten, auch wenn das sicher in der Schule nur in Grenzen möglich ist.
    Doch Sie sprechen nur den Geschichts-Unterricht an. Was aber ist mit dem Deutsch-Unterricht? Sie waren doch auch Deutsch-Lehrer - oder hab ich das falsch verstanden? Schauen Sie sich nur Goethes Faust an! Ohne Grundkenntnisse der Bibel ist dieses Menschheitsdrama doch gar nicht zu verstehen! Auch wenn Faust nicht mehr im Deutsch-Unterrichr gelesen wird, lassen sich etliche andere Werke finden, in denen biblische Motive vorkommen.
    Dass Religionslehrer "per se" voreingenommen sein müssen, halte ich für ein Gerücht - und wenn das so ist, sollte man das ändern. Ihre Ausführungen ändern nichts an den Aufgaben, die ein Religionslehrer hat und die ich berets in meinem Essay ausformuliert habe: die Schüler differenziert Religion und Religionen betrachten zu lassen. Schließlich - wieder etwas, das Sie nicht erwähnt haben - in welchem Unterricht lerne ich, dass der Islam nicht per se eine Religion des Terrors ist, wenn nicth im Religionsunterricht?

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