Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 24. August 2010

Jakobiner des Internets

Wie übereifrige Netz-Bürger die ohnehin schon aufgeheizte Lage um die Loveparade verschärfen, indem sie wikileaks spielen.

Es fing doch alles so gut an: der Ballhausschwur setzte ein Zeichen, die Bastille war erstürmt, der König geköpft. Das hätte der Zenit sein sollen, ab hier hätte es bergab mit der Gewalt gehen soll und rauf mit der Arbeit an einem Staat, der jene Ideale anstrebt, in Gesetz und Tat, für die diese Revolution doch steht: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Müssen denn alle Revolutionen im Blut enden, wie Twain meinte? Aus der amerikanischen wurde doch auch etwas, vielleicht nicht Ideales, aber Annehmbares, etwas Ausbaubares. Aber es musste anders kommen: der sogenannte "Wohlfahrtsauschuss" unter der Leitung Robespierres führte diese Revolution ad absurdum.

Es hat so gut angefangen... Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Hinrichtung_Ludwig_des_XVI.png&filetimestamp=20051204173502


Es fing doch alles so gut an: das Internet brachte Freiheit, Transparenz, so dass, irgendwann, die Welt demokratischer werden könnte. Ungerechtigkeit sollte offenbart und angeprangert werden, so dass die Welt am Ende besser wird - Friede, Freude, Eierkuchen also, die Ideale dieser Revolution, einer digitalen. Wikileaks sollte ein großer Schritt dazu werden, ein Schritt für eine Welt, in der es immer schwieriger sein sollte, Unrecht unentdeckt zu begehen. Das Internet ist also das absolut Gute!

Wer kontrolliert die Kontrollierer? Quelle: http://blog.rhein-zeitung.de/files/2010/07/Wikileaks_-logo.jpg


Doch das Internet ist nur so gut wie diejenigen, die es machen, womit nicht nur Google und co. gemeint sind, auch wenn sie sicher am bösesten sind, da sie ja unsere Fassaden fotografieren! Auch die Blogger und Twitterer, die wirklichen Bürger des Webs, sind damit gemeint. Das Internet ist nichts an sich Gutes, denn Freiheit bringt auch Verantwortung mit sich, was schon Sartre wusste, der uns zur Freiheit verdammte. Zweifelhaft ist, wie verantwortungsvoll Wikileaks ist, da dort geheime Dokumente veröffentlich werden, die uneditiert veröffentlicht, gefährlich sein können, während beim Spiegel, Gurdian und New York Times Namen in den Zusammenfassungen dieser Dokumente weggelassen wurden.

"Die Anlagen enthielten ungeschwärzte, personenbezogene Daten, begründete ein Stadtsprecher das Verbot", heißt es bei heise über den Verbot der Stadt Duisburg, die Dokumente über die Vorbereitungen der Loveparade im Internet zu verbreiten. Was als Ausrede anmutet, wird angesichts der Tatsache, dass das sogar stimmt und dass die Hetze gegen die Veranstalter und Beamten, die diese Katastrophe möglich machten - wer wie viel Schuld trägt, ist aber immer noch nicht ganz geklärt -, nicht gerade milde Ausmaße angenommen hat, in ein anderes Licht gerückt: dass nun ein Kopfgeld auf Sauerland ausgesetzt wurde, ist nur auf dem ersten Blick lächerlich, weil es an Western-Filme erinnert. Es zeigt die angespannte Atmosphäre und macht damit den Verweis auf den Personenschutz glaubhafter, denn diese Leute haben wohl zu recht Angst, dass diese Veröffentlichung Gefahren birgt.

Doch der Übereifer der Web-Aktivisten hat hier überhand genommen. Selbst die Kommentare zu der (oben verlinkten) Nachricht, dass Duisburg nun die Dokumente, ohne die Anlagen mit den personenbezogenen Daten, ebenfalls veröffentlichte, lassen keine Einsicht und kein Bedauern oder Kritik anmerken. Auch zynische Kommentare mit dem Verweis auf den von der CDU geforderten Internet-Pranger fehlen nicht. Vielleicht kein Schritt aus Prinzip, aber immerhin ein Entgegenkommen, ist diese Veröffentlichung  dann doch - aber ein zu spätes: die Jakobiner des Internets haben dafür gesorgt, dass das Internet diese Dokumente nicht mehr vergisst, so auch die Namen gefährdeter Personen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen