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Samstag, 21. August 2010

Golems laute Geschwister

Pro-israelische Rhetorik in Weblogs, anhand der Beispiele Henryk M. Broders und Lizas Welt

16.Jahrhundert, Josefstadt, jüdisches Viertel Prags: Irgendwie musste man auf die ständigen Pogrome der christlichen Bürger Prags reagieren, die die Juden verantwortlich für das Verschwinden von Kindern machten: angeblich würden sie die Kinder in einem Ritual ermorden und ihr Blut trinken. Rabbi Löw entdeckte irgendwann, wie auch immer, eine Möglichkeit sich dagegen zu wehren, die Bewohner Josefstadts vor Angriffen christlicher Mobs zu bewahren. Er erschuf einen Golem, ein Wesen aus Lehm. Dieser Golem patrouillierte im jüdischen Viertel und beschützte somit die jüdischen Bürger.

Das Urbild des Israel-Verteidigers wird erschaffen: der Golem  Quelle:http://www.zwoje-scrolls.com/zwoje31/text06p.htm

Anscheinend schaffen es die Rabbiner die Golems immer menschlicher aussehen zu lassen. Oder es sind wirklich Menschen (nein, ich zweifle nicht ernsthaft an der Menschlichkeit der hier besprochenen Blogger bzw. Journalisten). Zumindest gibt es wieder Verteidiger des größten Sündenbocks der Geschichte. Diese aber haben - anders als Löws Golem, der nicht sprechen konnte - eine nicht gerade kleine Klappe, die ironisch, sarkastisch, oft Wahres, sehr oft Anzuzweifelndes, selten Differenziertes von sich gibt. Ihre Texte bzw. Blogeinträge folgen einem Ziel: Israels Feinde zu kritisieren, zu entwaffnen, gleich dem Golem, nur lauter.

Grundsätzlich ist dagegen gar nichts einzuwenden. Israel ist umkreist von Feinden, die nichts dagegen hätten, wenn dieser Staat nicht mehr existieren würde. Doch ist dann gleich alle Welt der Feind Israels? Und ist jede zweifelhaft vernünftige Politik damit zu rechtfertigen? Diese Fragen, die wieder in der letzten Debatte um die Gaza-Flotte aufbrachen - weniger wegen der Schießerei an der Grenze zu Libanon, da Israel sich nur verteidigt hat - sollen hier aber nicht behandelt werden. Vielmehr um die Rhetorik der Texte geht es, deren Anliegen oft über das Ziel hinausschießen - was nichts daran ändert, dass sie, literarisch gesehen, oft sehr ansprechend sind und nicht einen gewissen Witz (im ursprünglichen Sinne des Wortes) vermissen lassen.

Der Irre von Zion
 Einer dieser Verteidiger gegen den Antisemitismus bzw. Antizionismus heißt Henryk M. Broder. Der am 20.August 1946 in Kattowitz Geborene schreibt ab und zu für den Spiegel, für die Zeit etc. Das M stehe angeblich für Modest, dabei ist er nicht gerade "bescheiden" und "zurückhaltend" - doch widerlegt das nicht das nomen est omen, da es eben nicht dafür steht, sondern für Marcin. Die Selbst-Umtaufung ist aber wohl eines der ironischen Finten, die zeigen, dass man ihn nicht immer ganz so ernst nehmen darf. Doch auch in der scharfen Form der Ironie, dem Sarkasmus, ist er geübt. Dies zeigt er etwa im "Fazit" des Artikel "Die edlen Wilden":

"Ob eine ZDF-Moderatorin bei einem Fussballspiel einen “inneren Reichsparteitag” oder einen seriellen Orgasmus erlebt, geht mir vollkommen am Arsch vorbei. Und den würd ich mir nicht einmal im Busch mit der FR abwischen."

Dass dieser Sarkasmus hier eine vergleichsweise milde Form angenommen hat, sagt viel über Broders Stil aus. Denn die hier zitierten Sätze sind - für einen Sarkasten wie mich - noch genießbar, ohne dass man sein Lachen wieder herunterschlucken muss. Doch sobald Broders Sarkasmus, oder besser: Zynismus, sich mit Nazi-Vergleichen paart, die den Zweck haben, den Angegriffenen ins rechte Licht zu rücken, ist es mit dem ungebremsten Genießen vorbei:

"Mellenthin liebt nicht nur die edlen Wilden, er ist selber einer. So wie auch Heinrich Hiimmler einer war, der in seiner Posener Rede den von Idealen und Idealismus geleiteten Täter dem gegenübergestellt hat, der nur interessengetrieben handelt."

Anlass für diesen zügellosen Vergleich ist eine Rezension ebendieses Mellenthins über Broders Buch "Hurrah, wir kapulieren", der er bescheinigt "bescheuert "zu sein, "wie fast alles, was er vollnüchtern von sich gibt".  Dass diese Rezension so bescheuert ist, würd ich nicht sagen - doch lässt sich darüber sicher streiten. Dennoch bleibt es nicht dabei, dass dieses Urteil gar nicht begründet wird. Auch muss er noch den armen Kritiker mit Himmler vergleichen, was den Eindruck verstärkt, dass Mellenthin ins Schwarze und die Eitelkeit Broders getroffen hat. Doch nicht nur Kritiker seiner Persönlichkeit vergleicht er mit Himmler & co., auch Israelkritiker müssen es sich dies gefallen lassen. Aber was wäre er auch für ein Golem, wenn er Israel nicht immer unerbittlich verteidigt, unabhängig wie richtig diese Kritik manchmal ist. Verteidigung heißt hier aber nicht differenzierte Gegenüberstellung, sondern polemisches Zurückschlagen.

Dies zeigt sich auch in einem Eintrag, in dem er lediglich zwei Auszüge aus Kommentare zur Israel-Politik nebeneinanderstellt, heißt, vergleicht und mit dem Titel: "Wer schreibt bei wem ab?" auf die Ähnlichkeit aufmerksam macht. Dass hier eine berechtigte, in manchen Punkten wohl kritisch zu betrachtende (etwa ist die Beurteilung der Rhetorik Ahmadinedschads doch eine Unterschätzung der Lage), Kritik an Israels Missbrauch des Holocausts auf der Internet-Seite der TAZ mit einem auf den ersten Blick fast identisch anmutenden Text auf der Homepage der NPD in Beziehung setzt, bewirkt, dass er sich nicht damit außeinanderzusetzen braucht. Schließlich lohnt es sich nicht mit Nazis, an dessen Seite Daniel Blax von Broder gestellt wird, zu diskutieren.

Das gleiche Prinzip zeigt sich in dem Veröffentlichen von Leserbriefen, die dümmer nicht sein können und recht witzig sind. Dass er hiermit zeigt, dass er auch Kritiker zu Wort lässt, ist nur ein oberflächlicher Effekt, der suggeriert: ich bin demokratisch, denn ich veröffentliche auch Kritik! Doch ist das nur Augenwischerei, da die eigentliche Wirkung ist, zu zeigen, wie eingeschränkt seine Gegner sind, die meistens entweder sehr rechts oder sehr links sind, so dass auch hier eine Außeinandersetzung nicht vonnöten ist und auch nicht wirklich stattfindet. Damit wird verdeckt, dass es auch Kritiker gibt, die differenziert argumentieren (bin gespannt, ob er in seinem blog auch hierauf verweist - ihm eine Email mit einem Link schicken, werd ich auf jeden Fall).

Die ewigen Palästinenser
Eine ähnliche Taktik verfolgt das Blog Lizas Welt. Ein oder mehrere Blogger schreiben hier über Fußball und Politik - womit hauptsächlich jede Politik, die irgendetwas mit Israel zu tun  hat, gemeint ist. Allein der Titel eines Eintrags verrät, wie auch hier jeglicher Kritik an Israel der Stachel herausgezogen wird: "Um zwölfe wird zurückgeniebelt"- ein Eintrag, in dem es um die Reaktion Niebels auf die Verweigerung Israels geht, in den Gaza-Streifen reisen zu dürfen, um dort ein Entwicklungsprojekt der deutschen Regierung zu besichtigen (etwas, das die Entrüstung Niebels verständlich macht, aber - oder gerade deswegen - im Eintrag unerwähnt bleibt). Jedoch muss man diesem Blog auch lassen, dass es sich wenigstens damit auseinandersetzt - auch wenn etwas einseitig. So wird beiläufig der Gaza-Streifen Hamastan genannt, was den Eindruck erweckt, als ob jeder Palästinenser hinter den Hamas stehe oder die Hamas gar ein anderer Begriff für Palästinenser ist, was beides nicht der Fall ist.

Die Flagge eines gefährdeten Staates Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d4/Flag_of_Israel.svg


Überhaupt wird Kritik an der Gaza-Politik nur mit einer psychologischen Erklärung abgewehrt, dass es sich bei der Sorge um dieses Volk nur um eine Projektion (vor allem von links) handle. So etwa in dem Eintrag über linken Anti-zionismus, in dem die lächerliche Falschschreibung "Palistinänser" tiefenpsychologisch gedeutet wird - eben als ein Anzeichen dafür, dass dieser Einsatz nur Projektion ist für ihre Sehnsucht, Juden mögen von der Erde verschwinden. Man mag von dieser Interpretation halten, was man will (ich halte wenig davon), aber es bleibt dabei, dass sie ablenkt vom Gaza-Problem. Dass mancher Vergleich zwischen Gaza und Konzentrationslagern doch sehr übertrieben ist, ändert nichts an dem eigentlichen Elend der Bewohner von Gaza. Aber das wäre etwas, für das man Israel kritisieren sollte - dann besser gar nicht erwähnen.

Diese undifferenzierten und einseitigen Sichtweisen tragen wenig dazu bei, die Situation im Nahen Osten zu verbessern, geschweige denn Kritiker Israels zu überzeugen. Eher verhärten sie die Fronten und machen eine Verbesserung der Bedingungen der Diskussionen um dieses Thema nicht besser - obwohl gerade das nötig wäre. Denn auch der Golem der Sage wird zerstört, weil es irgendwann Amok läuft, unkontrollierbar wird - wobei Rabbi Löw ebenfalls zu Tode kommt, weil der Golem auf ihn fällt.


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